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Kann mein Charakter diese Lore kennen?
Dieses uralte Wissen gehört zwar in die höhere Bildung und ist Teil der “Mystischen Lehre”,
doch gilt es als Allgemeinwissen in der Welt Lezoras. Gewiss hat ein jeder einmal die Geschichte über
die Entstehung Lezoras gehört, wenn auch in abgewandelter Form...
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⚜ Kapitel II: Sagen über die Zeit ⚜
Die Kraft, die Umfero af Galdur in sich trug, hauchte der Natur und dem Leben im Niemandslande mehr als nur Magie ein. Seine Kräfte veränderten die Welt von Grund auf und dennoch war Mutter Natur, samt ihres Werkes, stets der Mittelpunkt, um den sich die Welt drehte. Sie war überall und allgegenwärtig, soweit das Auge reichte. So war dies nicht nur in der Dimension Novis der Fall, sondern auch im Reich der Götter. Es gab so gut wie keinen Gott in Aeternum, der Mutter Natur nicht zu bewundern schien. Ganz zum Ärger von Noschnir, denn dieser war es mehr als nur Leid.
Einst aus derselben Aetheressenz entstanden, war der Gott nicht in der Lage, den Verlust seiner zweiten Hälfte zu verkraften. Dabei war er es, der das Werk der Natur in größter Ehre hielt. Immerhin war dies nun das Vermächtnis seines geliebten Bruders Galdur. Seine Magie floss durch jedes einzelne Lebewesen auf diesem Planeten und so war er nun ein Teil dieser Welt, wie er es wünschte. Dennoch konnte Noschnir nicht verstehen, wie Galdur nur Teil dessen werden konnte. Das Werk von Mutter Natur vermochte zwar wunderschön zu sein und besaß durchaus eine Finesse, an denen es den Götter mangelte, doch war es zugleich auch fragil. So konnte dies unmöglich die Antwort auf die Fragen sein, welche den trauernden Gott plagten. Noschnir ließ sich nicht von der Schönheit dieser neuen Welt blenden, so wie seine Brüder und Schwester es taten. Diese scheiterten dabei, dem Detail die Aufmerksamkeit zu schenken und so sahen sie nicht, was die Arbeit von Mutter Natur wahrhaftig aus machte. Es waren die kleinen doch feinen Gegebenheiten, welche die Natur zu dem machte, was sie war. Je raffinierter die Arbeit von Mutter Natur, desto zerbrechlicher war sie.
Galdur wiederum war einst einer der ältesten und mächtigsten Gottheiten in Aeternum und nicht im geringsten so fragil, wie das Grün dieser Welt. Noch immer tappte Noschnir mit seinen Brüdern und Schwestern in Ungewissheit darüber, wie es zum Fall Galdurs, des Gottes der Zeit, kam. Die Antwort auf diese Frage verblieb jedoch nicht lange ein Rätsel. Schon bald stellte Noschnir mit Schrecken fest, dass die einst absurden Geschichten seines Bruders eine wahre und bittere Note enthielten.
Es war nicht viel Zeit vergangen, seitdem der Baum in seiner vollen Pracht strahlte, als Noschnir eines schicksalhaften Tages Umfero af Galdur einen Besuch abstattete. Viele Götter verbrachten ihre Zeit im Niemandsland, so war die Anwesenheit eines Gottes keineswegs Aufsehen erregend. Wie gewohnt verbrachte Noschnir viel Zeit auf der schwebenden Insel, auf der sich der magische Baum befand. Wie gern tanzten die Irrlichter um ihn herum, gerade wenn er Wut und Trauer empfand, schienen sie ihn trösten zu wollen. Und wie so oft zauberten sie ihm ein Lächeln aufs Gesicht, welches dieses Mal jedoch nur von kurzer Dauer war. Denn die Irrlichter verhielten sich anders als sonst, anders als gewohnt. Sie waren aufgewühlt und schwirrten immerzu hektisch um Noschnir herum, als würden sie ihm versuchen eine Botschaft zu übermitteln. Auch in Aeternum herrschte Unruhe: Viele Götter berichteten von merkwürdigen Geschehnissen im Niemandsland. Es waren Kräfte am Werk, welche weder der Natur noch den Göttern zugeordnet werden konnten.
Die Anomalien waren auch Mutter Natur nicht entgangen, doch tappte auch diese im Dunkeln. Die Ungewissheit ließ sie rastlos werden, so zögerte sie nicht, Noschnir aufzusuchen, als sie dessen Präsenz im Niemandsland vernahm. Dieser nahm sich vor, den seltsamen Geschehnissen selbst auf den Grund zu gehen, so begab er sich in die Wildnis der Niemandslande. Es war kaum zu übersehen, dass die unzähligen Augen von Mutter Natur auf ihn gerichtet waren. So begegnete er überall Tieren, welche ihn zu beobachten schienen. Schließlich traf auch Noschnir auf die besagten Anomalien. Er entdeckte unzählige Pflanzen, die ihr sattes Grün mitsamt des Lebens verloren hatten. So traf er auch auf Tiere, welche reglos darnieder lagen. Auch in ihnen existierte kein Hauch Leben mehr, geschweige denn Magie. Sie wiesen, wie auch die Pflanzen, eine äußerliche Veränderung auf. Noschnir war noch nie solch einem Phänomen der Vergänglichkeit begegnet, wiederum war all das Grün auch nicht sein Werk.
Erst als der Gott einen leblosen Drachen vorwand, begriff er was sich vor seinen Augen abspielte. Die Drachen waren die weitaus am meisten Ehrfurcht gebietenden Wesen im Niemandslande, stark und kräftig. Im Gegensatz zum Rest waren die Drachen, in den Augen Noschnirs, keineswegs fragil. Ihre hohe Intelligenz hob sie von den Tieren und Pflanzen ab. Dazu kam, dass Mutter Natur ihnen die Fähigkeit verliehen hatte, die Elemente der Natur zu bändigen. Eine Fähigkeit, welche der Magie doch in einigen Aspekten nahe kam. Umso bedauernswerter war der endlos erscheinende Anblick des toten Drachen, als würde die Zeit still stehen. Genau in diesem Augenblick stutzte der Gott auf, denn das Gefühl von Zeit war ihm fremd. Doch nun hatte er ein Zeitempfinden erlangt.
Blind vor Trauer vergaß Noschnir die vielen Geschichten seines Bruders über die Zeit selbst. So war er der Einzige, der erahnen konnte, was vor sich ging. Es war, als sei es erst gestern gewesen, als Galdur damit prahlte, der Hüter der Zeit zu sein. Immerzu erzählte er Geschichten und erfreute sich daran, seine Kraft an der Zeit zu messen und hielt diese seit jeher an. Selbst die Götter, so sagte Galdur, seien der Zeit gnadenlos ausgeliefert. Nun war diese Kraft seit Galdurs Tod freigesetzt worden. Die Zeit floss erneut und brachte die Vergänglichkeit über einen jeden. Der Tod, er war aus seinem tiefen Schlummer erwacht.
Ein niemand vermochte zu sagen, wie lang die Zeit durch Galdur schon still stand. Nun, wo sie wieder floß, wunderte Noschnir, der sich wehmütig an die Worte seines Bruders erinnerte, sich nur wenig über all die Anomalien die im ganzen Niemandsland auftauchten. Galdurs einstige Worte, als seien sie dazu bestimmt gewesen, schenkten Noschnir Antworten, wie auch weitere Rätsel, mit denen er sich plagen würde. Doch über die Zeit selbst rätselte er nicht. Noschnir war sich bewusst, dass sobald die Zeit sich einpendeln würde, würden auch die Anomalien verschwinden. Jedoch war sie das Verderben aller, die ihrer Macht nicht gewachsen waren. So drohte die Zeit, das fragile Werk der Natur zu gefährden, das Vermächtnis seines geliebten Bruders.
Doch die Natur war bekanntlich eigenwillig und wurde ihrem Ruf gerecht. Durch Noschnirs Hilfe, welcher die Geschichten seines Bruders an Mutter Natur weiter reichte, vermochte diese zu wissen, mit welch einer Kraft sie sich befasste. Somit war sie in der Lage, sich selbst zu helfen und das Vergehen ihrer Welt hinaus zu zögern. Mutter Natur, die sich der Macht des Lebens selbst bediente, war wohl neben dem Gott des Todes, am ehesten in der Lage, zu verstehen, von welch einer Macht ihr Werk bedroht wurde. Im Klaren darüber, dass die Anomalien und die damit einhergehende Bedrohung nicht im Dunkeln der Nacht verschwinden würden und welch eine Macht das Dasein der Zeit und des Todes doch war, lehnte sie sich nicht gegen jene auf. Anders als Galdur, der die Zeit anhielt um sie von Aeternum fern zu halten, vereinte sie die Zeit, wie auch den Tod in ihrem Werk und führte damit den Kreislauf des Lebens ein. Aus Altem entstehe’ Neues und aus Neuem entstehe’ das Alte. Ein Kreis, der in sich geschlossen ist.
Die Zeit war schon ein merkwürdiges Phänomen. Obwohl die Anomalien ein Ende fanden, war das eigene Zeitgefühl eine Sache für sich. In manch einem Moment lief sie wie im Flug, in manch anderem Moment schien sie kaum zu vergehen. Das Gefühl der Zeit war einst für sie alle befremdlich, ob Gott oder Drache. Doch hatte sie etwas tröstendes an sich, ein Ende in Sicht für ein jedes Wesen.
So fürchtete Mutter Natur selbst ein Ende für Umfero af Galdur, durch dessen magische Quelle sie ihre Arbeit nur noch verfeinert hatte. Um das Wohlergehen ihres alten Freundes zu sichern, mochte er auch schon von ihr gegangen zu sein, ernannte sie die Drachen zu seinen Wächtern. Auf das jene den Baum und damit ihr Werk schützen mögen. Es war die Geburtsstunde eines inneren Zirkels, der noch Hunderttausende von Jahren seiner Bestimmung folgen würde.