
〖Ein letzter Dienst unter Freunden〗
“Ich denke, es wird Zeit. Du hast deinen Dienst getan, alter Freund. Komm an meine Seite, auf dass ich dich ein letztes Mal mit meinen Armen umschließen kann.”, die Stimme war tief und knarzig. Wie der Wind, der durch den Wald geht, wandelt die Stimme durch die Luft.
Weit über den Wolken ward die Stimme noch zu hören. So sehr, dass ein alter Drache sie vernahm. Der Drache, einer der Baumwächter, war seit vielen Jahrhunderten im Dienste des großen Baumes, so lange, dass er die Stimme nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Herzen wahrnahm.
Die Stimme zog den alten Erddrachen in die Tiefe, durch die Wolken und durch den Himmel, der Krone des alten Baumes entgegen. Es war kein Befehl, der den Drachen rief. Es war auch keine Forderung, kein Wunsch. Es war die Bitte eines Freundes, eines alten, innigen Freundes. Es war die Art von Bitte, die man unter keinen Umständen ausschlagen kann.
Der Erddrache hatte also seinen Platz am Fuße des Baumes eingenommen. Es war die selbe Stelle, an der er schon vor knapp 4500 Jahren zum ersten Mal Platz nahm, nachdem er zum Wächter ernannt wurde. Die selbe Stelle, an der er seit jeher Platz nahm, wenn er seinen Dienst antrat. Die Stelle, an die er kam, wenn er sich nicht wohl fühlte oder verletzt war. Dieser Ort am großen Baum war seine zweite Heimat, sein zweiter Hort. Hier fühlte der Erddrache sich so wohl wie in seinem Schwarm, seinem Hort, bei seiner Familie.
“Mein alter Freund. Du hast so viel getan. Deine Kraft hat mir Leben und Freude gebracht, aber ich sehe deinen Schmerz.”, der Drache nahm die Stimme in seiner Seele wahr, als würde die Welt zu ihm sprechen. “Sag mir, alter Freund, warum hast du mich erwählt? Mich, den kleinsten meiner Geschwister, den schwächsten meines Wurfs. Warum nicht meinen Bruder?”, die Stimme des Erddrachen war gezeichnet von seinem Alter. Rau und hallig klang seine Frage. Sein Blick der Baumkrone entgegen gerichtet. Ein paar Lichtschimmer fielen durch das Blattwerk und wärmten den alten Wächter. Der Baum ließ mehr Licht auf den Drachen fallen, welcher sich im warmen Licht zu Boden legte. “Dein Herz war rein. Deine Seele froh und dein Geist der Welt zugeneigt.”, die Stimme klang mit dem Licht in das Herz des Drachen.
Stunde um Stunde verging, in der der Drache im Licht der Sonne unter dem alten Baume lag. Die Ehrsteine auf seinem Rücken waren groß und leuchteten im Licht in allen Farben. Der Fuß des Baumes war eingehüllt in einen Tanz aus Farben, der selbst eine Nymphe neidisch machen würde.
“Sag mir, wie ist es? Zu sterben?”, in der rauen Stimme lag keine Angst. Kein Zweifel. Keine Sorge, “Was erwartet uns alle?”. Der Baum raschelte im Wind, das Licht der Sonne schien vereinzelt durch die mächtige Baumkrone und die umliegenden Blumen wogten in der lauen Brise. “Nichts. Alles. Du selbst und alle anderen.”, sprachen der Wind und das Licht. Der Drache lächelte, “Das ist gut. Dann werden wir uns also wieder sehen.”. “Wir werden auf immer zusammen sein. Wir sind ein Teil des Ganzen. Du, ich, alle. Wir sind ein Fluss.”, knarzte die Rinde des Baumes.
Der Drache schloss die Augen. Sein Geist wanderte durch die Lüfte. Seine Flügel lagen an seinem Rücken, aber seine Seele flog hoch über den Wolken. Neben ihr der Wind und das Licht. Zusammen flogen sie in den Himmel, den Sternen der Nacht entgegen.
Der Körper des Drachen wurde im Laufe der Nacht umschlungen und wurde ein Teil des Baumes. Sein Flügel wurden zu Rinde und sein mächtiger Körper Teil des Stammes.
“Du, ich, alle. Wir sind eins”.